Mit einer Entscheidungen vom 09.05.2014 und vom 05.12.2014 hat sich der OGH in zwei vom Verfasser geführten Verfahren erstmals mit der Frage befasst, welche Rechte einem Stifter als Auftraggeber gegenüber dem treuhänderischen Errichter einer Stiftung, also dem Treuhänder, in Zusammenhang mit der Errichtung einer Stiftung zukommen.
Bis zu diesen Entscheidungen hatte sich der OGH erstaunlicherweise nie mit der essentiellen und auf den ersten Blick auch klar zu beantwortenden Fragen auseinandergesetzt, ob ein Stifter und Auftraggeber gegenüber dem Treuhänder einen Anspruch auf Herausgabe von Kopien sämtlicher Akten und Unterlagen hat, welche in Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung und damit dem Auftrag stehen. Dies war offenbar der Selbstverständlichkeit dieser Ansprüche geschuldet, welche einem Stifter bislang nicht verweigert wurden.
Auch in der österreichischen Rechtsprechung zum österreichischen Auftragsrecht, der massgeblich heranzuziehenden Rezeptionsgrundlage zum liechtensteinischen Auftragsrecht, hat der OGH soweit erkennbar bislang erstaunlicherweise nie die Fragen behandelt, ob ein Auftraggeber gegenüber dem Auftragnehmer Anspruch auf Herausgabe von Kopien sämtlicher Unterlagen in Zusammenhang mit dem Auftrag hat.
Nunmehr hat der liechtensteinische OGH in den genannten Entscheidungen klargestellt, dass der Stifter und Auftraggeber gegenüber dem Treuhänder einen Anspruch hat, Kopien sämtlicher Unterlagen und Akten in Zusammenhang mit der Errichtung der Stiftung und damit dem Auftrag zu erhalten.
Den beiden Entscheidungen des OGH lagen zwei Ende 2012 und Anfang 2013 gestellte Anfragen von Stiftern an den Treuhänder zu Grunde, welche sich Klarheit über die Handlungen des Treuhänders in Zusammenhang mit der Errichtung von zwei Stiftungen verschaffen wollten. Denn sie verfügten diesbezüglich über keine genauen Informationen. Der Treuhänder verweigerte den beiden Stiftern zu deren Erstaunen die Einsicht in die Unterlagen und Herausgabe von Kopien sämtlicher Unterlagen, weshalb die Auftraggeber jeweils ein Verfahren gegen den Treuhänder einleiteten.
Mit seinen Entscheidungen vom 09.05.2014 und 05.12.2014 hat der OGH letztinstanzlich klargestellt, dass der Herausgabe und Informationsanspruch des Auftraggebers sämtliche Unterlagen und Dokumente erfasst, welche im Zusammenhang mit der auftragsbezogenen Rechtshandlung stehen.
Gemäss OGH ist die Herausgabepflicht des Auftragnehmers Teil der Berichtspflicht gegenüber dem Auftraggeber. Aufgrund dieser Pflicht hat der Auftragnehmer dem Auftraggeber über die Durchführung des Auftrages und die damit zusammenhängenden Umstände wahrheitsgetreu und vollständig zu berichten. Nur dadurch kann der Auftraggeber überprüfen, ob der Auftragnehmer das Vertrauen des Auftraggebers auch erfüllt hat.
Diese Berichtspflicht des Treuhänders und Auftragnehmers umfasst gemäss OGH neben der Rechnungslegung auch die Herausgabe von Kopien sämtlicher Unterlagen, welche im sachlichen Zusammenhang mit der Geschäftsbesorgung stehen. Diese Unterlagen haben den Zweck, den Bericht des Auftragnehmers über die Ausführung des Auftrages zu ergänzen und auch zu verifizieren.
Der OGH hat judiziert, dass zur Berichtspflicht selbstverständlich auch die Pflicht gehört, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber vollständig und wahrheitsgemäss über die Ausführung des Auftrags berichtet und dies auch belegt, da der Auftraggeber nur dadurch in der Lage ist, zu prüfen, ob das in den Auftragnehmer gesetzte Vertrauen gerechtfertigt war. Der Auftraggeber soll anhand der Unterlagen überprüfen und beurteilen können, ob der Auftragnehmer seine Pflichten aus dem Auftrag vertragsgemäss und vollständig erfüllt hat. Diese Überprüfung und Beurteilung kann der Auftraggeber gemäss OGH einleuchtenderweise nur dann ordnungsgemäss und vollständig vornehmen, wenn er über die Vorgänge im Rahmen der Durchführung des Auftrages vollständig im Bilde ist.
Die herauszugebenden Unterlagen beinhalten beispielsweise auch sämtliche Korrespondenz, welche der Treuhänder mit dritten Personen in Zusammenhang mit dem Mandat führt. Zudem ist der Anspruch nicht auf Dokumente in Papierform beschränkt, sondern umfasst auch nicht verschriftlichte Unterlagen wie z.B. Datenträger (CDs, USB-Sticks) und auch ursprünglich rein elektronische Unterlagen wie E-Mails, Word-Dokumente etc. Gemäss OGH sind vom Herausgabeanspruch lediglich rein interne Unterlagen des Auftragnehmers wie beispielsweise Sorgfaltspflichtunterlagen ausgenommen. Denn diese entspringen gemäss OGH nicht aus dem Auftragsverhältnis, sondern aus einer öffentlich-rechtlichen Dokumentationspflicht des treuhänderischen Stifters.
Mit den obigen Entscheidungen hat der liechtensteinische OGH einen wesentlichen Beitrag zur Klärung der Ansprüche des Auftraggebers gegenüber dem Auftragnehmer gesetzt, welcher Allgemeingültigkeit besitzt.
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