Abschiebung statt Richtlinienumsetzung und Gleichbehandlung

In einer unlängst ergangenen Entscheidung des Staatsgerichtshofes (StGH) hat dieser den Widerruf einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund der Einleitung eines Scheidungsverfahrens legitimiert, obwohl die Ehe in diesem Scheidungsverfahren gerade nicht geschieden wurde.

Bis anhin erhalten Drittstaatsangehörige, welche mit einem Liechtensteiner verheiratet sind, nach fünf Jahren ein Daueraufenthaltsrecht in Liechtenstein. Ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung erfolgte bei Scheidung der Ehe, wenn diese bis zur Auflösung der ehelichen Wohngemeinschaft keine drei Jahre gedauert hatte (Art. 47 PFZG). Nunmehr urteilt der Staatsgerichtshof, dass nicht mehr die Auflösung der ehelichen Wohngemeinschaft Anknüpfungspunkt für den Widerruf der Aufenthaltsbewilligung sei, sondern die Einleitung des Scheidungsverfahrens.

Die Entscheidung des StGH widerspricht der Rechtsansicht der EFTA Surveillance Authority (ESA), wonach die Aufenthaltsrichtlinie (RL 2004/38/EG) Familienangehörigen (insb. auch Ehegatten) ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht gewährt, solange dieser Status aufrecht ist. Aufgrund dieser Diskrepanz kommt die ESA zum Schluss, dass Liechtenstein die Aufenthaltsrichtlinie im nationalen Personen- und Freizügigkeitsgesetz (PFZG) nicht ordentlich umgesetzt hat.

Trotz klarer Rechtsansicht der EFTA Surveillance Authority musste der Beschwerdeführer das Land Liechtenstein mittlerweile verlassen. Mangels grenzüberschreitendem Sachverhalt sei EWR-Recht nicht anwendbar. Auch eine Inländerdiskriminierung bestehe nicht.

Es bleibt abzuwarten wie und vor allem wann das Land Liechtenstein diesen Umsetzungsverpflichtungen nachkommen wird. Die Rechtsansicht der EFTA Surveillance Authority (ESA) zeigt jedoch klar, dass entgegen der bisherigen und neuesten Rechtsprechung des StGH ein Widerruf der Aufenthaltsbewilligung weder an die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft noch an die Einleitung des Scheidungsverfahrens geknüpft werden darf, solange die Ehe noch aufrecht ist.